Krafttraining nach Mammakarzinom
Jede fünfte Frau entwickelt in Folge eines Mammakarzinoms ein sekundäres Lymphödem.
Während früher jede körperliche Aktivität untersagt wurde, zeigen neuere Studien, dass Krafttraining keinen negativen Effekt hat. Im Gegenteil: Krafttraining verbessert die Kraft und damit die Muskelpumpe. Dadurch wird der Lymphabfluss unterstützt und die Lebensqualität gesteigert.
Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen.
Seit 2012 treten jährlich rund 70.000 Neuerkrankungen auf. Das bedeutet, dass jede achte Frau in ihrem Leben an Brustkrebs erkrankt. Jede dritte Frau ist dabei jünger als 55 Jahre. Die Überlebensrate liegt dabei zwischen 79 und 83 Prozent. Die häufigste Behandlungsoption ist die OP als Mastektomie oder brusterhaltende OP. Oft wird diese mir einer Strahlen-, Chemo-, Hormon- oder Antikörpertherapie kombiniert.
Kann Krafttraining nach Mammakarzinom empfohlen werden?
Bei einer operativen Behandlung werden oft Lymphknoten entfernt oder bei einer Strahlentherapie Lymphabflussbahnen geschädigt. Dadurch kann es zu einem sekundären Lymphödem vor allem der oberen Extremität der betroffenen Seite kommen. In den ersten drei Jahren nach dem Eingriff ist das Risiko am höchsten. Nach Schätzungen entwickelt jede fünfte Frau ein sekundäres Lymphödem. Dabei kommt es zu einer Schwellung an Hand, Unter- und Oberarm, welche mit Schmerzen und einer Funktionseinschränkung verbunden sein kann.
Noch bis in die 90er Jahre galt körperliche Aktivität als kontraindiziert. Als Goldstandard der Therapie galt die Maßnahmen Lymphdrainage, Kompressionsverbände und -kleidung. Heute hat sich das verändert und Krafttraining kann durchaus empfohlen werden.
Das Training fördert die Gesundheit der Patienten
Führen Patientinnen, die mindestens fünf Lymphknoten entfernt bekommen haben, ein Krafttraining durch, sinkt ihr Risiko um 70 Prozent, ein sekundäres Lymphödem zu entwickeln. Ein Krafttraining nach Mammakarzinom fördert zudem die Durchblutung und die Stoffwechselaktivität, was sich durch die Weitstellung der Gefäße ebenfalls positiv auf den Lymphabfluss auswirkt, auch wenn bereits ein Ödem besteht.
Nach einer weiteren Studie verhindert ein Krafttraining, dass sich ein bestehendes sekundäres Lymphödem verschlechtert.
In einer anderen Untersuchung zeigten außerdem zwei von 32 Probanden mit sekundärem Lymphödem keine Symptome mehr und hatten dadurch eine höhere Lebensqualität. Weitere positive Effekt eines Krafttraining sind eine erhöhte Knochendichte, eine Stärkung von Sehnen und Bändern und eine Stabilisierung der Körperhaltung. Alltagsbewegungen können besser ausgeführt werden, was zu einem aktivieren Lebensstils führt, was wiederum zu einem verbesserten Lymphabfluss führt.
Durch ein kontinuierliches überschwelliges Training wird eine Superkompensation erreicht, wodurch sich die Kraft steigert und damit die Muskelpumpe verbessert. Grundsätzlich sollte mit einem dynamischen Training begonnen werden. Ein statisches Training ist hingegen nicht zu empfehlen, da hierdurch der Gefäßinnendruck steigt und der lymphatische Rückfluss blockiert wird.
Das Training sollte den ganzen Körper und im Besonderen die Körperregionen ansprechen, die vom sekundärem Lymphöden betroffen sind. Das Bewegungsausmaß orientiert sich an Schmerz und Narbenspannung. Ist der betroffene Arm frei beweglich, kann das Training progressiv gesteigert werden. Ab dem zweiten Tag post OP können Mobilisationen, Dehnungen und leichtes Kraftausdauertraining durchgeführt werden. Ein Hypertrophie Training beginnt frühestens ab der 6. Woche post OP, wenn das Gewebe wieder belastbar ist. Während der Chemo, Strahlen und Hormontherapie muss auf Nebenwirkungen, wie etwa frühzeitige Erschöpfung und Empfindlichkeit der betroffenen Hautstellen geachtet werden.
Die Guidelines des American College of Sports Medicine (ASCM) empfehlen, ein Training entweder Gerätegestützt oder mit freien Gewichten durchzuführen. Ein Training an Geräten ist leichter und sicherer, die Patienten müssen weniger stabilisieren, wodurch sie mit höheren Gewichten arbeiten können. So kann lokal eine bestimmte Muskelgruppe angesteuert werden und die Intensität besser kontrolliert werden. Das führt zu einem geringeren Verletzungsrisiko.
Die Trainingsintensität soll einem Hypertrophietraining entsprechen. Das bedeutet eine vollständige Ermüdung (60-80 Prozent des 1 RM=Repetition Maximum) der trainierten Muskelgruppe innerhalb von 8-12 Wiederholungen in drei Sätzen. Zu Beginn des Trainings kann auch mit mehr Wiederholungen und weniger Gewicht gearbeitet werden. Vor dem eigentlichen Krafttraining sollte selbstverständliche ein Warm Up zur Verbesserung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit und zur Verringerung der Verletzungsgefahr erfolgen.
Beim Krafttraining selbst sollten sechs bis acht verschiedene Geräte , etwa der Latzug, die Überkopfstemme und die Brust- und Beinpresse eingesetzt werden. Nach den ASCM Guideline sollte nach jedem Satz eine Pause von ein bis drei Minuten erfolgen. Überschreitet die Patientin die vorgegebene Wiederholungszahl, kann das Gewicht um zwei bis zehn Prozent erhöht werden. Sollten sich die Symptome verschlechtern, müssen die Gewichte wieder entsprechend der Leistungsfähigkeit reduziert werden.
Im Cool Down (ca. 10 Minuten) kommt es dann zu aktiven Regeneration, da durch leichte Ausdauerbelastung der Stoffwechsel angeregt wird, und Stoffwechselabfallprodukte abtransportiert werden. Das Training sollte zwei- bis drei Mal pro Woche durchgeführt werden.
• an Tagen der kardio- und nephrotoxischen Chemotherapie kein Krafttraining
• Kreislaufbeschwerden
• koronare Herzkrankheit
• starken Schmerzen
• Frakturgefahr durch ossäre Metastasen in der Wirbelsäule und den Röhrenknochen
• bei operationsbedingten Verletzungen an Nerven oder Muskeln im Brustareal
• Infekt
• unkontrollierbare Hypertonie
• akute Blutungen und Blutungsneigung
• Thrombozytopenie
Während der Kontraindikationen kann der Therapeut passiv mobilisieren, dehnen und Entspannungstechniken anleiten. Auch alle anderen ödemreduzierende Maßnahmen sind indiziert.
Informieren Sie sich bei uns im VITA Gesundheit über die Trainingsmöglichkeiten.
Quelle: Physiopraxis Ausgabe 9/2016